Dorothee-Sölle-Haus: Menschen mit Demenz individuell betreuen

Sicherheiten geben für ein selbstbestimmtes Leben

Selbstbestimmung hat im Dorothee-Sölle-Haus einen hohen Stellenwert. Foto: Johanneswerk/Pia Blümig

Bielefeld (JW). Alles ist ungewohnt, alles ist seltsam, die Gesichter sind ihr unbekannt. Johanne* fühlt sich fremd im Haus, in der Wohngemeinschaft mit anderen älteren Menschen, sogar in ihrem Zimmer. Die 77-Jährige lebt seit einem Jahr im Altenheim, weil ihre Demenz fortschreitet und es ohne Betreuung nicht mehr geht. Dennoch kann sie sich weitgehend frei bewegen. „Auch Menschen mit Demenz sollen selbstbestimmt leben“, betont Hausleiter Volker Rudolph. „Die Pflegecharta mit ihren acht Artikeln ist Maßstab unserer Arbeit – für alle Bewohner im Dorothee-Sölle-Haus.“

Der Welt-Alzheimer-Tag ist alljährlich im September ein Anlass, diese Krankheit und andere Formen der Demenz ins Bewusstsein zu rücken und für Verständnis zu werben. Denn in vielen Familien ist eine entsprechende Diagnose in der Regel ein Schock, der nicht einfach zu bewältigen ist. Im Pflegealltag der Johanneswerk-Einrichtungen gehört Demenz dazu, der Anteil von Bewohnern mit entsprechenden Einschränkungen wächst weiterhin.

Selbstbestimmung wird in der Pflegecharta als erster Artikel genannt. „An die Grenzen von Selbstbestimmung und damit oft auch an schwierige ethische Fragestellungen geraten wir immer dann, wenn es um den Aspekt der Selbst- oder Fremdgefährdung geht“, macht Peter-Christian König, Leiter der Fachabteilung Altenhilfe im Johanneswerk deutlich. Die Beurteilung, welches Verhalten selbstgefährdend sein könne und wie solchem Verhalten zu begegnen sei, bedeute eine stetige Abstimmung und Abwägung durch das Pflegepersonal.

Das Problem, dass Bewohner mit Demenz im Haus herumirren, kann verbessert werden – beispielsweise durch einfache Maßnahmen im Bereich der Treppenhäuser. Eine Tür, die farblich wie die Wand daneben gestaltet ist, wird nicht als Ausgangsmöglichkeit wahrgenommen. Auch eine Klebefolie, die wie ein Bücherregal aussieht, kann diesen Effekt erzielen.

„Wenn es ihnen möglich ist, sollen sich unsere Bewohner bewegen. Sonst werden sie unsicher und die Sturzgefahr steigt“, erläutert Hausleiter Volker Rudolph.  Der nächtliche Toilettengang muss nicht mit einer schweren Verletzung enden. Das auf bequeme Einsteighöhe heruntergefahrene Pflegebett macht es dem Bewohner leichter, auch ohne Hilfe auszukommen. „In jedem Fall gilt es, Maßnahmen mit den Angehörigen zu besprechen. Eine Fixierung im Bett gibt es in unserem Haus nicht.“

Wenn Pflegekräfte um die zu betreuende Person, ihren biografischen Hintergrund, ihre Eigenheiten und Gewohnheiten wissen, gelingt es schon in kleinen Dingen Unstimmigkeiten zu glätten und eine Eskalation zu vermeiden. Bei den einen hilft es, die Gedanken und den Blick auf etwas Anderes zu lenken. Bei anderen kann eine Ruhepause die spürbare Aggressivität dämpfen. Und wieder andere entspannen sich am besten, wenn sie eine Aufgabe haben, etwas tun können. „Darüber hinaus ist unser Ziel, die Arbeitsabläufe an die Bewohner anzupassen – und nicht umgekehrt“, sagt Volker Rudolph.

Vom Know-how der Johanneswerk-Fachkräfte profitieren auch Angehörige, die für hilfebedürftige Familienmitglieder die verschiedenen ambulanten Angebote nutzen. Das reicht von der Pflege daheim bis zu Unterstützung durch einen Hausnotruf oder  moderne Technik. Bewegungsmelder im Haus, die sogenannte „Klingelmatte“ im Bett (gesteuert durch Be- oder Entlastung) sind Beispiele dafür.

„Selbstbestimmt und in Würde zu altern und zu leben, die bestmögliche Versorgung zu erhalten und individuelle Wünsche zu berücksichtigen – das wollen wir hilfebedürftigen Menschen ermöglichen und daran müssen wir unser Handeln ausrichten“, fasst Peter-Christian König zusammen.  

*Johanne (77 Jahre) steht stellvertretend für zahlreiche Menschen mit Demenz

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