Bundesweit einmalige Zahlen des Alters-Instituts belegen Handlungsbedarf

Quo vadis, Altenheim?

Dr. Bodo de Vries (rechts), Dr. Frauke Schönberg und Dr. Gero Techtmann stellten in Bielefeld die Ergebnisse der Analyse vor. Foto: Christian Weische

Die Ausrichtung von Altenheimen auf die Bedürfnisse von Frauen muss überdacht werden – denn immer mehr Männer ziehen ein. Foto: Pia Blümig

Bielefeld. Das stationäre Altenheim wird auch in Zukunft gebraucht – aber ein Wandel ist bereits in vollem Gange. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse, die das Alters-Institut durchgeführt hat. Im Auftrag des Ev. Johanneswerks untersuchte es die Verweildauer von Bewohnern in 32 stationären Altenpflegeeinrichtungen. Auf dieser repräsentativen Basis wurden ganz neue Erkenntnisse sowie Hypothesen möglich, die in der Fachwelt für Gesprächsstoff sorgen werden.

„Wer kommt zu uns ins Altenheim, warum kommt er und wie lange bleibt er? Diese Fragen haben wir genauer unter die Lupe genommen“, erklärt der Autor der Forschung, Dr. Gero Techtmann. Dafür wurden tausende Bewohnerdaten aus Johanneswerk-Einrichtungen in ganz NRW ausgewertet. Zunächst wird deutlich: Alte Menschen bleiben immer kürzer in Altenheimen. „Es wurde dort noch nie so viel gestorben wie heute“, bringt der Instituts-Geschäftsführer Dr. Bodo de Vries es auf den Punkt. Tendenz: weiter sinkend. „Altenheime werden vielerorts zum Ende der Versorgungskette.“

Forderung nach passgenauer Personalbemessung

Damit verändert sich auch die Klientel. Manche Häuser konzentrieren sich auf die Palliativversorgung sterbender Menschen, andere auf Menschen mit Demenz. Klar ist aber: Verzichten kann man auf die stationären Altenheime keinesfalls. „Zwar möchten die Menschen so lange wie möglich zu Hause leben und ambulant versorgt werden, aber wenn das Versorgungsnetz versagt, dann sind die Heime gefragt. Und das wird auch in Zukunft so bleiben“, so de Vries.

Die Analyse macht allerdings auch deutlich: Zwischen den untersuchten Einrichtungen gibt es enorme Unterschiede, was die Funktion, die Bewohner und deren Verweildauer betrifft – und damit auch den Bedarf an Personal. Viele sterbende Menschen zu versorgen und häufig Plätze neu zu belegen, erfordert mehr Personal als eine relativ kontinuierliche Belegung von etwa demenzkranken Menschen. Einzug, Verwaltungsaufwand und Pflegeplanung kosten viel Zeit. „Unsere Zahlen belegen, dass die vereinheitlichte Art und Weise, wie der Personalbedarf in Altenheimen berechnet wird, unzureichend ist“, so die Institutsleiterin Dr. Frauke Schönberg. „Die unterschiedlichen Funktionen und Belastungen der Heime werden in der Personalbemessung nicht berücksichtigt. Das muss sich ändern.“
Mehr Männer in einer Welt der Frauen

Ein weiteres großes Thema der Analyse: die Geschlechterverteilung. Der Anteil der Männer wächst. „Die Generation, die nach 1930 geboren wurde und somit den Krieg überlebte, kommt jetzt in die Altenheime“, erklärt Techtmann. Deutlich wird außerdem, dass Männer früher und schneller im Altenheim sterben. Sie werden im Schnitt etwa 81 Jahre alt und sterben nach eineinhalb Jahren im Heim. Frauen dagegen werden etwa 87 und verbringen durchschnittlich knapp drei Jahre dort.

Das sich verändernde Geschlechterverhältnis stellt  die Heime vor große Herausforderungen: „Bisher sind Pflegeheime Welten der Frauen“, erklärt Schönberg. „Frauen pflegten fast nur Frauen. Nun pflegen Frauen aber auch immer mehr Männer.“ Wo bisher der Alltag auf weibliche Bedürfnisse eingestellt war, tauchen nun viele Fragen auf: Was muss sich verändern? Ist zum Beispiel das Hausgemeinschaftskonzept noch zeitgemäß? Wie können männliche Bedürfnisse in den Fokus rücken?

Zukunftsweisende Fragen

Die Untersuchung wirft viele zukunftsweisende Fragen auf, die einer Antwort bedürfen. Einige von ihnen beforscht das Alters-Institut in eigenen Projekten und entwickelt Ideen und Konzepte. Andere – vor allem die der Personalbemessung – richten sich an die Politik.

„Unsere Zahlen sind bundesweit einmalig“, fasst de Vries zusammen. „Unsere Ergebnisse lassen Prognosen zu, die bisher so nicht möglich waren und beleuchten Aspekte, die von der Politik schlichtweg ignoriert wurden.“ Aus diesem Grund geht der Instituts-Geschäftsführer und Johanneswerk-Vorstand davon aus, dass die Untersuchung deutschlandweit wichtige Impulse setzen wird. 

Einen Forschungsbericht sowie die abzuleitenden sozialpolitischen Forderungen können Sie auf der Startseite des Alters-Instituts kostenlos herunterladen.

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