Ev. Johanneswerk kritisiert Pflegereform als irreführend

"Pflege bleibt ein Armutsrisiko"

Fordert eine spürbare Entlastung der Betroffenen: Dr. Bodo de Vries, stellvertretender Geschäftsführer des Ev. Johanneswerks. Foto: Stephan Wemhöner

Fordert eine spürbare Entlastung der Betroffenen: Dr. Bodo de Vries, stellvertretender Geschäftsführer des Ev. Johanneswerks. Foto: Stephan Wemhöner

Kontinuierlich steigende Kosten, und jetzt auch noch eine finanzielle Entlastung, die eigentlich keine ist: Der Aufenthalt in stationären Pflegeeinrichtungen sollte dank neuer Pflegereform ab 2022 eigentlich bezahlbarer werden. Doch das, was Bewohner und deren Angehörige seit dem 1. Januar weniger zahlen müssen, wird durch wachsenden Personalbedarf bereits wieder aufgeschlagen. Und während die Pflegesätze weiter steigen, müssen auch die Kommunen mit rasant wachsenden Ausgaben für Sozialhilfe rechnen. „Sich pflegen zu lassen, bleibt damit auch künftig ein Armutsrisiko“, resümiert Dr. Bodo de Vries, stellvertretender Geschäftsführer des Ev. Johanneswerks und Vorstandsmitglied des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege (DEVAP)
 

Bei vielen kommt die Entlastung nicht an

Seit Anfang des Jahres sollten die Pflegekosten für viele Bewohner von Altenheimen prozentual und stufenweise sinken. „Viele profitieren davon jedoch nicht spürbar, weil die Höhe der Entlastung an die Verweildauer in Heimen gekoppelt ist. Und die ist heute kürzer denn je“, erklärt de Vries. Hinzu komme, dass der dringend benötigte Personalaufbau in der Pflege einen Kostenanstieg verursachen werde, der ebenfalls längst beschlossen sei. Experten rechnen schon jetzt vor, dass die Zuzahlungen bereits im Jahr 2023 wieder das heutige Niveau erreichen werden. Damit wäre die vermeintliche Entlastung Betroffener passé.

Auch deshalb hat die neue Regierung in der Pflege offenbar viel vor. Sie möchte nachbessern und die zu zahlenden Eigenanteile nachhaltig begrenzen. Der Koalitionsvertrag bleibt dazu jedoch bislang vage und lässt einige Fragen offen. „Von einer grünen Welle für die Pflege kann man daher kaum sprechen“, betont de Vries. Die Unternehmensgruppe Johanneswerk, die NRW-weit mehr als 5.500 alte und pflegebedürftige Menschen versorgt – macht sich deshalb stark für eine bessere Kalkulierbarkeit der Pflegekosten und fordert eine absolute Begrenzung der Zuzahlungen. „Pflege muss endlich spürbar und nachhaltig bezahlbar werden“, betont der Johanneswerk-Geschäftsführer. 
 

Es werden hunderttausende Pflegekräfte fehlen

Ein Blick auf die demografische Lage im  Jahr 2030 zeigt: Ein „Weiter so“ in der Pflegepolitik kann es nicht mehr lange geben. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den kommenden Jahren viel stärker steigen als gedacht. Rund sechs Millionen Menschen werden dann auf Pflege angewiesen sein, eine Million mehr als bislang angenommen. Zugleich werden hunderttausende Pflegekräfte fehlen, die für die Versorgung dieser Menschen dringend benötigt werden. 

De Vries ist überzeugt: „In Zukunft werden wir auch die Zivilgesellschaft stärker in die Organisation von Pflege und Betreuung einbeziehen müssen. Andernfalls werden wir die Folgen des demografischen Wandels nicht bewältigen können.“ Hierfür gilt es die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

„Es muss jetzt schnellstens gelingen, den Fokus auf eine umfassende Pflegereform zu legen und damit die Perspektive einer demografie- und generationengerechten Pflegewelt zu gestalten“, betont Bodo de Vries. Hierzu hat das Ev. Johanneswerk als Partner im Netzwerk SONG und Mitglied in der Initiative Pro Pflegereform die Politik bereits schriftlich aufgefordert und zu einem Pflegegipfel aufgerufen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat diesem Vorhaben bereits zugestimmt. 

 

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