Regina Weege, 67 Jahre, St. Loyen Stift in Lemgo

Die Optimistin

Regina Weege ist 67 Jahre alt und lebt im St. Loyen Stift in Lemgo. Foto: Mike-Dennis Müller

Regina Weege ist 67 Jahre alt und lebt im St. Loyen Stift in Lemgo. Foto: Mike-Dennis Müller

Die beiden sieben Monate alten Mädchen kamen auf dem Wohnzimmertisch zur Welt. Der zuständige Arzt hatte eine Einweisung der Mutter ins Krankenhaus nicht für nötig gehalten. Doch die kleine Regina hatte eine Steißlage eingenommen. Sie lag also nicht mit dem Kopf nach unten im Mutterleib, sondern hatte sich umgedreht – eine gefährliche Ausgangslage. Dadurch war das Mädchen bei der Geburt nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Während ihre Schwester nur drei Tage später starb, wurde Regina anschließend in einer Kinderklinik in Detmold versorgt. Zunächst schien es, als entwickle sie sich normal. Aber als sie mit zwei Monaten zurück nach Hause durfte, bemerkten ihre Eltern, dass etwas nicht stimmte. Ihr Baby konnte seine Beine nicht nutzen und entwickelte schwere Spasmen.
 

"Unsere Mutter musste uns allein versorgen"

„Als ich vier Jahre alt war, starb mein Vater, der bis dahin im Hansa-Kino im Lemgo gearbeitet hatte. Meine Mutter musste daraufhin nachts arbeiten gehen, um die Familie versorgen zu können. Ich hatte ja noch drei weitere Geschwister, die versorgt werden mussten. Hinzu kam, dass bei mir immer wieder neue Operationen anstanden. Meine Beine mussten gespreizt, die Kniesehnen verlängert und die Hüfte angepasst werden. Dann gab es Notfall-OP, weil sich meine Hüfte schwer entzündet hatte. Im Rückblick war das eine schier endlose Odyssee von Operationen, langen Regenerationszeiten und wiederkehrenden Schwierigkeiten und Schmerzen, die zu neuen Operationen führten.“
 

Die Dorfschule lehnte sie ab

Im April 1963 kam Regina Weege in eine Schule der Stiftung Eben-Ezer, weil der Lehrer der Dorfschule Luerdissen sie abgelehnt hatte, obwohl ein Arzt sie als „normal schulfähig“ eingestuft hatte. Die Schule hatte keinen Fahrstuhl und so wurde Weege, die nach wie vor auf den Rollstuhl angewiesen war, von drei Klassenkameraden getragen – die Treppen hoch zum Klassenraum und wieder runter, wenn es in die Pausen oder nach Hause ging. Den Weg nach Hause übernahm dann ihre Mutter, die sie überall hinschob, bis Regina Weege 16 Jahre alt wurde. Da bekam sie ihren ersten elektrisch angetriebenen Rollstuhl und war zum ersten Mal in ihrem Leben mobil. Nun konnte sie selbst entscheiden, wann sie wohin fahren, und wo sie bleiben wollte. 
 

Spasmen erschwerten die Berufsschule

„Eigentlich wäre ich gerne Bürohilfe geworden. Aber das musste ich abbrechen, weil ich in der Berufsschule nicht mit dem Tempo meiner Klasse mitkam. Vom Kopf her war das kein Problem. Aber wegen meiner Spasmen konnte ich den Stift nur schlecht halten und musste entsprechend langsamer schreiben. Ich habe dann stattdessen zu Hause auf meine Geschwister aufgepasst und im Haushalt geholfen, soweit das ging. Nach dem Tod meiner Mutter habe ich 22 Jahre bei meiner Schwester in Kalletal gelebt. Als ich hierher ins St. Loyen Stift kam, hatte ich anfangs große Bedenken. Ich war ja erst Anfang 50 und fühlte mich noch nicht alt. Aber ich habe mich schnell eingefunden und engagiere mich heute im Bewohnerbeirat. Mit meinem Schicksal hadere ich schon lange nicht mehr. Ich habe es angenommen und mache das Beste daraus. Sonst wird man im Leben doch nicht glücklich.“
 

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