Gerhard Plöger, 86 Jahre, Haus Stephanus in Hiddenhausen

Der Schneider

Gerhard Plöger ist 86 Jahre alt und lebt im Haus Stephanus in Hiddenhausen. Foto: Mike-Dennis Müller

Gerhard Plöger ist 86 Jahre alt und lebt im Haus Stephanus in Hiddenhausen. Foto: Mike-Dennis Müller

Nach einem erfüllten Leben als berufstätiger Ehemann muss sich Gerhard Plöger jetzt immer öfter mit Erinnerungen begnügen. An die Schneiderlehre, die der Wunsch seines Vaters, aber nicht seiner war. Und an die Überraschung, als er feststellte, dass dieses Handwerk ein Glücksgriff war, weil es zu ihm passte. 43 Jahre arbeitete Plöger bei einem großen Textilhersteller, heiratete und bekam mit seiner Frau drei Kinder. Als die Rente und das beschauliche Leben zu zweit folgen sollten, erlitt seine Frau plötzlich einen Schlaganfall. Sie kämpfte sich zurück ins Leben, doch mit den Jahren folgten weitere Rückschläge und es ging ihr zunehmend schlechter.

Als es nicht mehr ohne Hilfe ging, zog Gerhard Plöger ihr zuliebe mit ins Haus Stephanus. Über sein Leben spricht er immer noch gerne und viel. Doch sein Rückblick ist bisweilen getrübt; er springt durch die Zeit, verfängt sich in Erinnerungen an seine Frau. Sie starb vor einigen Monaten. Denkt er an sie, steigen ihm Tränen in die Augen und alles verschwimmt. Wie seine neue Rolle im Leben aussehen soll? Er mag es sich gerade noch nicht vorstellen. 
 

"Die schwerste Entscheidung, die ich je treffen musste"

„In ein Altenheim zu ziehen und unser altes Leben aufzugeben, das war die schwerste Entscheidung, die ich je treffen musste. Ich habe das für meine Frau getan. Im Rückblick frage ich mich manchmal, ob es die richtige Entscheidung war. Nicht einmal drei gemeinsame Jahre sind uns geblieben. Womöglich wären wir zu Hause trotz der Schwierigkeiten glücklicher gewesen. Womöglich auch nicht. Aber wer weiß das im Rückblick schon. Ich weiß, man sagt, da müsse man jetzt durch und ich müsse weitermachen, mich in meine neue Rolle einfinden. Aber wie soll das gehen ohne sie? Wir haben fast unser ganzes Leben zusammen verbracht. Alt zu werden ist schön und gut, aber es kommt doch darauf an, wie und vor allem mit wem.“ 
 

Der Reißverschluss - ein kleines Ärgernis 

Nach dem Krieg hatte Gerhard Plöger eine Lehre in einem kleinen Betrieb begonnen. Anfangs nähte er ausschließlich alte Sachen um, weil es damals keine neue Kleidung gab. Später taten sich ganz neue Möglichkeiten auf und die Mode änderte sich: Plötzlich gab es Hosen für Frauen – und neue Techniken. Bis dahin hatte der Schneider nur mit Knöpfen oder Ösen gearbeitet – und dann kam dieser neue komplizierte Verschluss namens Reißverschluss. Plöger lacht im Rückblick laut auf und nennt es ein echtes Ärgernis, dieses kleine Ding in eine Hose einnähen zu müssen. 
 

"Ich wäre gern mehr für meine Familie dagewesen"

„Manchmal denke ich heute, dass ich gerne mehr für meine Familie dagewesen wäre. Ich sehe noch genau vor mir, wie mein Sohn Kinder bekommen und wie er sie aufgezogen hat. Er hat sie gewickelt, sich fürsorglich gekümmert, war viel für sie da. Das hätte ich als junger Vater damals auch sehr gerne getan. Aber es war leider nicht die Zeit dafür. Männer taten so etwas nicht, sie gingen arbeiten. Ich weiß, es ging nicht anders. Aber das bereue ich.“
 

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