Wilhelm Gerhards, 91 Jahre, Wilhelm-Florin-Haus in Gütersloh

Der Denker

Wilhelm Gerhards lebt im Wilhelm-Florin-Haus in Gütersloh. Foto: Mike-Dennis Müller

Als ein Lokaljournalist über ihn berichtet, ist Wilhelm Gerhards am Ende irritiert. Der Mann habe einfach über das falsche Hobby geschrieben. Das „falsche“ Hobby, das sind die drei Spielekonsolen, die an seinen Fernseher angeschlossen sind, und sein Computer auf dem Schreibtisch. Wilhelm Gerhards ist 91 Jahre alt, lebt im Wilhelm-Florin-Haus und ist ein passionierter Gamer (Konsolen-und Computerspieler), der mit Vorliebe Rollen- oder Strategiespiele spielt. Er ist gut darin, richtig gut sogar. Aber er selbst bezeichnet diese Fähigkeit nur als „Killefit“. Ein netter Zeitvertreib, der vor allem einem Ziel dient: Seinen Kopf fit zu halten. Damit er seinem eigentlichen Hobby weiterhin nachgehen kann: Der Literatur. 
 

Zwischen Literatur und kleinen Parties

„Die Liste auf meinem Computer umfasst 76 Bücher. Darunter sind natürlich Klassiker wie Dostojewski und Conan Doyle, aber auch Popliteratur von Helene Hegemann – übrigens eine sehr mutige Autorin, wenn Sie mich fragen. Ich habe jedes dieser Bücher in den letzten Jahren hier gelesen, bewertet, benotet und abgespeichert. Eigentlich könnten es noch mehr sein. Aber ganz so viel Zeit habe ich nicht. Meine Kinder und Enkel schauen regelmäßig vorbei. Früher, als ich hier zusammen mit meiner Frau in einem kleinen  Appartement wohnte, kamen sie sogar vorbei, um kleine Partys mit uns zu feiern. Da gab es Spiele, Musik und alkoholische Getränke – sie  können sich nicht vorstellen, wie wir gefeiert haben!“ 

Die Sache mit dem Weltbevölkerungszähler

Als seine Frau starb, zog Wilhelm Gerhards in ein Einzelzimmer. Er entdeckte das Internet für sich und fand etwas, das ihm Kopfzerbrechen bereitete: Die Live-Anzeige des Weltbevölkerungszählers. Gerhards stieg tiefer in die Thematik ein, informierte sich über die Rohstoff-Vorkommen der Erde und befasste sich mit der Frage, was eigentlich passieren müsste, damit das, was uns bleibt, tatsächlich auch reicht, um die Menschheit am Leben zu erhalten. „Ich sah, dass wir die Laus im Pelz der Erde sind.“ Also beschloss er, ein Buch darüber zu schreiben.

Schwierige Verlagssuche

„Drei Jahre habe ich gebraucht – als ich 87 war, war das Buch fertig. „Wbz 2 – Eine erdachte Zukunft“ heißt es und handelt von einem Zeitstrahl und zwei Familien, die ich miteinander vergleiche. Die eine lebt in dieser Welt, die andere in einer Utopie, in der keine Kinder mehr geboren werden. Aber einen Verlag dafür zu finden, war ein schwieriges Unterfangen – einige haben versucht, mich übers Ohr zu hauen. Unser Hausleiter und die Mitarbeiter hier haben mich  unterstützt und mir geholfen, einen anständigen Anbieter zu finden. Soll ich Ihnen was sagen: Bislang hat kaum jemand mein Buch gekauft oder gelesen, verdient habe ich bislang 5 Euro (lacht laut auf). Aber das juckt mich nicht sonderlich.  Ich wollte mir das Thema von der Seele schreiben. Das habe ich geschafft und fühle mich jetzt einfach tüchtig befreit!“
 

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