Projekt „Kommunikation und Teilhabe“ startet im Ruhrgebiet

Damit jeder ins Gespräch kommt

Ralf Butter freut sich riesig über seinen ersten Talker, den ihm Stephanie Leisner und Stefanie Schmidt überreichen. Fotos: Frank Elschner

Klient Ralf Butter freut sich riesig über seinen ersten Talker, den ihm Stephanie Leisner und Stefanie Schmidt überreichen. Fotos: Frank Elschner

Für Ralf Butter ist heute ein besonderer Tag. Schon lange hat er darauf gewartet, einen Talker zu bekommen. Dieses technische Hilfsmittel soll ihn dabei unterstützen, besser mit anderen zu kommunizieren. Bisher hat er dazu, ergänzend zu seiner eingeschränkten Lautsprache, ein Ich-Buch verwendet. Darin gibt es Seiten zu seiner Person, Familie und seinen Hobbies – alles mit Piktogrammen verbildlicht. Auch die Fußballergebnisse seines Lieblingsvereins vermerkt er immer in seinem Buch. Wenn Butter spricht, zeigt er dabei auf die entsprechenden Bilder und wird so von anderen besser verstanden. Ab jetzt kann er dazu auch seinen Talker benutzen. Auf diesem sind ebenfalls kleine Bilder hinterlegt, mit denen er Sätze bilden und sie laut vorlesen lassen kann.
 

Unterstützte Kommunikation verbessert die Selbstbestimmung

Hilfsmittel zur Kommunikation sollen im Johanneswerk jetzt flächendeckend eingesetzt werden. Dafür wurde das Projekt Unterstützte Kommunikation (UK) gestartet. „Zur Unterstützten Kommunikation zählen alle therapeutischen und pädagogischen Maßnahmen, die den Klient*innen helfen, sich mitzuteilen. Das soll sowohl die Selbstbestimmung als auch die Teilhabe verbessern“, so Stephanie Leisner, die zusammen mit Stefanie Schmidt das Projekt leitet. „Es gibt zum Beispiel Adapter, in die man verschiedene Geräte einstecken kann. Dadurch können diese einzig über eine Taste bedient werden“, erzählt sie. So könne auch ein Mensch mit einer Schwerstmehrfachbehinderung einen Teig mixen und sich dadurch am gemeinschaftlichen Backen beteiligen.
 

Butters Augen leuchten, als er das Gerät auspacken darf. Sofort fängt er an, die Bilder auf dem Bildschirm anzutippen und zu hören, was der Talker ausspricht. Noch kann Ralf Butter damit keine ganzen Sätze bilden – der Talker muss erst individuell auf seine Person und Interessen angepasst werden. Hierzu kann beispielsweise ein Foto von ihm hinterlegt und mit seinem Namen verknüpft werden, damit er sich anderen Personen gegenüber vorstellen kann.
Tagesstruktur sichtbar machen

Für viele Menschen mit Beeinträchtigung ist eine Tagesstruktur besonders wichtig

Neben den technischen Hilfsmitteln kommen bei der Unterstützten Kommunikation auch Gebärden und analoge Materialien zum Einsatz. Im Bodelschwingh-Haus in Essen wird vor allem mit Piktogrammen gearbeitet. Hans-Dieter Scholz sitzt zusammen mit der Bereichsleiterin der Tagesstruktur, Christiane Altmann im Gemeinschaftsraum, um gemeinsam seinen Wochenplan zu erstellen. Auf einer Leinwand sind sieben Klettstreifen angebracht – einer für jeden Tag. Daneben steht eine Box mit kleinen Karten, auf denen verschiedene Aktivitäten und Fotos von Personen abgebildet sind. Scholz sucht nach der Karte mit dem Mikrofon als Motiv und klebt sie auf den Streifen für den heutigen Tag. Denn später wird noch gemeinsam gesungen. „Einen Überblick über die Tagesstruktur zu haben, ist für viele Klient*innen wichtig“, sagt Stefanie Schmidt. Außerdem sei es notwendig, regelmäßig mit den Hilfsmitteln zu arbeiten, um den Umgang damit zu verfestigen. „Das ist wie eine Fremdsprache zu lernen“, so Schmidt. Deshalb müsse für eine gelungene Kommunikation auch das Umfeld miteinbezogen werden.

Im Johanneswerk wird das Thema Unterstützte Kommunikation jetzt mithilfe eines fünfjährigen Projekts, gefördert von der Aktion Mensch, angegangen. „Kommunikation ist ein Wesensmerkmal des Menschen – und Menschen sind soziale Wesen“, erklärt Katja Mühlmann, Geschäftsleiterin des Bereichs „Wohnen und Assistenz“ im Johanneswerk. Soziale Teilhabe könne daher nur gelingen, wenn Menschen tatsächlich miteinander kommunizieren könnten und jede*r Einzelne die Möglichkeit habe, sich in seiner Ganzheit auszudrücken. „Mit dem UK-Projekt möchten wir für diesen Bedarf sensibilisieren und allen Klient*innen und Mitarbeitenden passende Wege für Kommunikation eröffnen“, so die Teilhabe-Expertin. Unterstützte Kommunikation als Methode zum Ausdruck sei dabei nur ein Teil des Ganzen. Am Ende bestehe das Ziel darin, die individuelle Persönlichkeit eines jeden Menschen durch die Unterstützung der Kommunikation zu stärken
 

Anlaufstelle berät und unterstützt

Um das zu erreichen, werden im Rahmen des Projekts entsprechende Strukturen im Johanneswerk etabliert und eine Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation unter Einbezug der Klient*innen aufgebaut. Diese Anlaufstelle hilft bei der Auswahl geeigneter Materialien und unterstützt bei der Beantragung von Hilfsmitteln. Denn das ist gar nicht so einfach – der Talker für Ralf Butter etwa wurde zunächst von der Krankenkasse abgelehnt. Doch jetzt ist er da und Butter kann lernen, mithilfe seines Talkers zu kommunizieren. 

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