Neustart in modernem Ambiente
Bielefelder Lutherstift zieht um
70 Jahre lang war das Lutherstift des Johanneswerks eins mit dem großen Gebäude am Fuß der Sparrenburg. Doch moderne Pflegekonzepte lassen sich heute nur noch mit Mühe im alten Stiftsgebäude umsetzen. Deshalb ziehen 76 Bewohner*innen und 106 Mitarbeitende jetzt um – raus aus dem alten Gebäude und rein ins neue Lutherstift, eine helle, moderne Einrichtung im 5. Kanton der Stadt.
„Du weißt, was jetzt kommt, oder?“, fragt Michael Repohl seine Mutter Erika, während er sie im Rollstuhl aus dem Raum schiebt. Erika nickt, noch etwas verschlafen, aber wissend. Das Zimmer der 100-Jährigen ist fast leergeräumt, nach ihren persönlichen Besitztümern tritt nun auch sie selbst die Reise ins neue Zuhause an. Die Seniorin lebt seit sieben Jahre im Lutherstift. Dass sie noch einmal umziehen würde, damit hatten weder sie noch ihr Sohn gerechnet. Doch die beiden nehmen es sportlich und betrachten den Neustart als Chance.
Moderner, größer, heller
„Ich habe das neue Gebäude noch nicht von innen gesehen, aber ich weiß, dass es moderner, größer und heller wird – also bin ich sehr optimistisch“, erklärt Michael Repohl, während er im Fahrstuhl ein letztes Mal den Knopf für das Erdgeschoss bedient. Er sei gespannt auf das neue Konzept, das damit einhergehe. Außerdem sei es ein bisschen so, als würden sie nach Hause kommen, sagt er. Das neue Lutherstift liegt in dem Stadtteil Bielefelds, in dem er aufgewachsen ist. Vielleicht treffe man ja gleich noch auf Nachbarn aus der Feldstraße.
Der 70-Jährige, der seine Mutter nun in die leere Eingangshalle schiebt, lebt seit 30 Jahren in York. Für den Umzug ist er zurückgekommen – er will sie begleiten und schauen, wie sie künftig leben wird. „Meine Mutter mag es, durch die Stadt zu stromern. Wir gehen zu Fuß und sehen uns in der Petristraße“, sagt Michael Repohl, winkt und schiebt seine Mutter hinaus auf den Gehweg. Vorbei an zwei älteren Damen, die in den letzten verbliebenen Sesseln sitzen. Eine der beiden wischt sich verstohlen mit einem Stofftaschentuch die Tränen von der Wange. „Das alles macht mich traurig“, sagt sie und wird getröstet von ihrer Nachbarin, die ihr das Knie tätschelt. „Warte es ab, wir fahren gleich zusammen und es wird bestimmt schön“, sagt sie. Und nimmt die Freundin an der Hand, als es Zeit ist, in den Kleinbus zu steigen.
"Ein Mammutprojekt"
Auch Hausleiterin Renata Schlichting packt gegen Mittag noch letzte Sachen ein. Ein besonderes Kissen für einen Bewohner, der es sonst vermissen würde und eine Tasche mit persönlichen Dingen. Hinter ihr an der Wand steht noch der große Projektplan. „Das war ein Mammutprojekt, wir sind seit letztem November dabei, diesem Umzug zu organisieren“, erklärt sie, während sie die Tür hinter sich schließt. Anstrengend sei das gewesen, gibt sie zu. Aber sie habe tolle Kolleg*innen die Unmögliches möglich gemacht hätten. Jetzt freue sie sich einfach auf den Neustart.
In der Petristraße haben Michael Repohl und seine Mutter mittlerweile das neue Lutherstift erreicht. Draußen an der Tür werden sie von Pflegedienstleiterin Gudrun Neumann empfangen. Sie hakt den Namen auf ihrer Liste ab. „Wie schön, dass sie da sind“, sagt sie, während Titia Krull aus der Abteilung diakonische Kultur Erika Repohl ein Kärtchen mit Schokoherz überreicht. Zusammen mit ihrem Sohn fährt sie nun in den zweiten Stock und durchquert den großen hellen Flur. Es geht vorbei an einer offenen Küchenzeile, links und rechts tauchen gemütliche Leseecken auf, noch einmal um die Ecke und sie stehen im neuen Zimmer. Es ist hell und geräumig, der Blick geht raus in den Garten. Mutter und Sohn sind begeistert – obwohl, oder gerade weil es hier so anders ist. Bett und Stuhl sind schon angekommen, nur der geliebte Fernsehsessel fehlt noch. „Und mein Bild von New York müssen wir noch aufhängen“, sagt der Sohn, und blick zu seiner Mutter, die ihn anlächelt.