Die Zwillinge Uli und Peter Kuhn leben seit 40 Jahren im Bochumer Goerdthof

Keine Zeit fürs Rentnerdasein

Die Zwillinge Uli und Peter Kuhn im Bochumer Goerdthof des Ev. Johanneswerks.

Seit 40 Jahren im Goerdthof: Die Zwillinge Uli und Peter Kuhn sind 67 Jahre alt und haben auch als Rentner keinerlei Langeweile.

Wäre keine Pandemie, wären Uli und Peter Kuhn wohl noch mehr auf Achse. Die beiden Brüder gehören nämlich in die Kategorie der äußerst unternehmenslustigen Rentner. Fußballspiele des VfL Bochum besuchen, Radrennen gucken oder Tanzkurse belegen, die beiden agilen 67-Jährigen sind gerne vorne mit dabei und immer in Gesellschaft. Aber sie kleben nicht aneinander - auch wenn das Klischee von eineiigen Zwillingen anders lautet.
 

Brüder leben getrennt - und doch nah beieinander

Ganz im Gegenteil. Uli und Peter Kuhn sind zwar seit 1982 Bewohner des Goerdthofes in Bochum, aber bereits 1995 trennten sich ihre Wege, zumindest was das gemeinsame Wohnen anbetraf. Damals zog Uli Kuhn mit seiner damaligen Partnerin in eine Pärchenwohnung und auch Peter Kuhn siedelte alsbald in eine Wohngruppe des Wohnverbunds Bochum-Herne um. Heute leben beide in getrennten Wohngemeinschaften, wenn gleich auch nur wenige Geh-Minuten voneinander entfernt. Sie telefonieren zwar täglich, aber Besuche finden selten statt. „Dazu habe ich keine Zeit“, erzählt Peter Kuhn bestimmt. Denn der Zweitgeborene hat auch in seinem Rentneralltag noch genug zu tun.

An erster Stelle sei seine langjährige Freundin Simone genannt, mit der er sich jüngst verlobt hat. „Mein Betreuer hat mir Ringe gekauft“, erzählt er stolz. Tagsüber nutzt er als Rentner die Angebote der Seniorenbetreuung des Bochumer Wohnverbundes, aber schon am Nachmittag kommt er wieder in Zeitstress: „Ich muss Simone vom Bus abholen!“ Das macht er täglich zum Feierabend seiner noch arbeitenden Partnerin, die dann mit dem Bus von der Werkstatt zurückkommt. Am liebsten gehen die beiden zusammen einkaufen. „Bäcker, Supermarkt, Pizzeria, alles ist hier nahe“, lobt der 67-Jährige sein Wohnumfeld an der Suntumer Straße. Aber auch gemeinsame Spaziergänge stehen bei den Beiden hoch im Kurs.
 

Fans des VfL Bochum und des FC Köln

Auch Bruder Uli Kuhn ist immer gut beschäftigt. Auch an seiner Hand glänzt ein Verlobungsring. Seine Freundin Jutta Wasserkordt und er haben sich schon vor ein paar Jahren bei einem gemeinsamen Holland-Urlaub verlobt. Mit traditionellem Ringtausch, kleiner Feier und Buffet. Seine 58-Jährige Verlobte bewohnt auch ein Zimmer in seiner WG, gemeinsam teilen sie ihre Leidenschaft für Fußball. Da sie als ehemalige Kölnerin für den FC Köln schwärmt, Uli aber auch sehr für sie, gesellt sich zu seiner traditionellen Begeisterung für den VfL Bochum eben auch die Sympathie für die Kölner Kicker. „Früher habe ich auch selbst Fußball gespielt“, erinnert er sich. „In der Werkstatt-Mannschaft“. Ein Sportunfall mit schwerer Beinverletzung vor vielen Jahren machte dem aktiven Fußball aber den Garaus. So bleibt ihm heute nur noch das Zuschauen. In Zeiten vor Corona besuchte er deshalb häufig auch mit seinem Betreuer Ulrich Bartelmai die Spiele in der Umgebung. 

Der ist Erzieher im Wohnverbund Bochum-Herne und langjähriger Betreuer von Uli Kuhn.  Dadurch kennt er natürlich auch dessen Bruder Peter gut. Bis April 2019 haben die Zwillinge in unterschiedlichen Werkstatt-Bereichen gearbeitet, dann gingen sie in Rente. „Das war natürlich Neuland für uns alle, sagt Ulrich Bartelmai. Bis dahin war der Tagesablauf allein schon durch die Arbeit sehr strukturiert, so Bartelmai. „Ihre Arbeitszeit ging ja von 8 bis 15.30 Uhr“.  Nun mussten wir sehen, dass auch der Rentneralltag etwas organisiert wurde. „Unser Tagesbetreuungsangebot für Menschen mit geistiger Behinderung am Goerdthof ist dabei natürlich eine große Hilfe“, erklärt der Pädagoge. Hier sind Peter und Uli Kuhn seit ihrem Ruhestand nun täglich zu finden. Durch vielfältige Aktivitäten in der Betreuung wird hier für Abwechslung gesorgt, man nimmt dabei auf die unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Rücksicht. „Da spiele ich am liebsten Kniffel“, erzählt Peter Kuhn, während Bruder Uli nur den Kopf schüttelt und sagt, dass ihm doch das „Mensch-ärgere-dich-nicht“ viel besser gefalle. 
 

Lernen bis ins hohe Alter

Doch nicht in allem unterscheiden sich die Zwillinge. Besonders gerne drücken sie zusammen die Schulbank. „Jeden Samstag!“, so Peter. „Von halb neun bis elf Uhr“, ergänzt Uli sofort. Gemeint ist ein Lese- und Rechtschreibkurs im Familienzentrum in Altenbochum. Schon seit Jahren gehört diese Förderung ins Programm der beiden. „Sie sind wirklich sehr aktive Menschen und genießen jetzt ihr Rentnerleben“, freut sich auch Betreuer Ulrich Bartelmai. Auch die Beziehungen mit ihren Freundinnen sind vorteilhaft für ihren Seniorenalltag. Mit der lebhaften Jutta Wasserkordt hat Uli Kuhn sogar schon Tanzkurse besucht, auch wenn sein lädiertes Bein ihm dabei Probleme machte.

Freundin Jutta ist auch Organisatorin der beliebten „Überraschungs-Kinoabende“ im Wohnhaus der beiden. „Jutta macht das immer“, erzählt Uli Kuhn. Sie schreibe ein Programm mit Uhrzeit und Tag, das dann an ihre WG-Tür gehängt wird. Die Filme sucht die resolute 58-Jährige aber alleine aus, deshalb auch die Überraschung für alle anderen Kinobesucher. 
Doch hin und wieder braucht auch Uli Kuhn seinen Freiraum. Dann besucht er selbstständig Bruder Peter, der in einem nur wenige Minuten entfernten Wohnhaus in einer Wohngruppe wohnt. Zusammen schaut man dort auch Filme. Gerne gemeinsam  mit Peters Freundin Simone. Wer hier die Filme aussuchen darf, ist allerdings nicht bekannt. 

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